ÝKÝ AYLIK TÜRKÇE GAZETE
DÝL VE EÐÝTÝMÝ DESTEKLEMEK ÝÇÝN ÝNÝSÝYATÝF
(Initiative zur Förderung von Sprache und Bildung e.V.)
ISSN 2194-2668


Die Gaste, Ausgabe 23 / September-Oktober 2012

Hochqualifizierte Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt
Problemanalyse und Vorstellung eines Pilotprojekts zur Problembewältigung
[Alman Ýþ Piyasasýnda Yüksek Nitelikli Göçmenler]


Dr. Anna Katherina JACOB
(Universität Duisburg-Essen, Zentrum für Hochschul- und Qualitätsentwicklung (ZfH))


    Die Problemlage ist bekannt und trägt paradoxe Züge: Einerseits klagen Vertreter der deutschen Wirtschaft und Politik über den Mangel von hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer , der sich durch die demografische Entwicklung bei abnehmender Bevölkerungszahl immer weiter verstärken wird und der auf mittlere bis lange Sicht einen erheblichen Nachteil für die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wirtschaftsgeschehen darstellt; andererseits berichten hochqualifizierte Migranten in Deutschland, die ihren akademischen Abschluss im Ausland erworben haben, vielfach darüber, dass sie trotz Qualifikation keine ausbildungsadäquaten Stellen erhalten, da ihnen ihr Abschluss nicht oder nur teilweise anerkannt wird. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, hat die deutsche Regierung mittlerweile Gesetze auf den Weg gebracht, die für eine Anerkennung von ausländischen Berufs- und auch Studienabschlüssen und damit für die bessere Integration der betroffenen Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sorgen sollen. Nichtsdestoweniger bleibt die Schwierigkeit bestehen, dass Arbeitsvermittler und Arbeitgeber den jeweiligen ausländischen Abschluss nicht in vollem Umfang anerkennen: Die im Ausland erworbene Qualifikation wird vielfach nicht als gleichwertig mit einer in Deutschland erworbenen eingestuft.

    Daten zur Arbeitsmarktsituation von hochqualifizierten Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland

    Untersuchungen zu dieser beschriebenen Ausgangslage sprechen eine deutliche Sprache hinsichtlich der Verbreitung und Relevanz dieses Phänomens: Laut Mikrozensus 2007 haben rund 2,8 Millionen Menschen, die als Migranten nach Deutschland kamen, eine berufliche Qualifikation im Ausland erworben. Von diesen wiederum besitzen etwa 800.000 einen an einer Hochschule oder hochschulartigen Einrichtung (wie etwa einer Fachhochschule) erworbenen Studienabschluss. Wie im Rahmen eines Modellprojekts an der Universität Oldenburg berichtet wurde, leben im Jahr 2007 etwa 500.000 Zuwanderinnen und Zuwanderer, die über einen akademischen Abschluss verfügen, deren Abschluss in Deutschland jedoch nicht anerkannt wird (vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2007, 77). Wenn diese Personen überhaupt erwerbstätig sind, werden sie nicht ausbildungsadäquat beschäftigt und arbeiten auf niedrigerem Qualifikationsniveau. Unter den Empfängern von Arbeitslosengeld II, die einen Migrationshintergrund haben, finden sich 28,8 Prozent, die einen ausländischen Berufsabschluss haben, der jedoch in Deutschland nicht anerkannt wird (vgl. Brussig et al. 2009, 7). Darüber hinaus liegt die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeitsstelle zu finden, laut einer Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen für zugewanderte ALG II-Bezieher mit einem anerkannten Abschluss um 50 Prozent höher als für arbeitssuchende Migranten mit einem nicht anerkannten Abschluss (Brussig et al., 2009, 8).

    Für Migranten gilt dabei im Prinzip das Gleiche wie für andere Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt: Das Vorliegen von Qualifikationen verringert das Risiko von Arbeitslosigkeit. Auch bietet der deutsche Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich sicherlich im Großen und Ganzen gute Chancen für Hochqualifizierte auch aus dem Ausland. Dies lässt sich gut an einer jüngst veröffentlichten Studie ablesen, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entstand: Betrachtet man die Arbeitsmarkteinbindung von Menschen mit Migrationshintergrund, so ergibt sich in einer Längsschnittbetrachtung, dass sie auf lange Sicht nach ihrer Einwanderung in Deutschland einen höheren Beschäftigungsgrad aufwiesen als vorher in ihrem jeweiligem Heimatland – lag die Erwerbsquote dieser Personengruppe ein Jahr vor der Migration im Durchschnitt bei 70 Prozent, geht diese Quote kurz nach der Einwanderung zunächst auf 40 Prozent zurück, um dann kontinuierlich auf immer höhere Niveaus anzusteigen und fünf Jahre nach der Migration bei 77 Prozent anzugelangen (vgl. Jungwirth et al. 2012, 9).

    Doch gilt es bei dieser im Grunde genommen positiven Aussage mancherlei relativierend anzumerken: Erstens ist eine derartige Erwerbsquote immer noch deutlich niedriger als unter Hochqualifizierten ohne Migrationshintergrund, die bei knapp 90 Prozent liegt. Zweitens ist Vollzeitbeschäftigung hier deutlich weniger häufig anzutreffen als bei den Bildungsinländern (etwas mehr als die Hälfte auf der einen Seite, etwa vier von fünf Personen auf der anderen; vgl. Jungwirth et al. 2012, 10). Drittens ist die berufliche Stellung der Bildungsausländer (d.h. Personen, die ihren Bildungsabschluss im Ausland erworben haben) deutlich schlechter als die von Bildungsinländern: Während von letzteren etwa drei Viertel in Positionen tätig sind, die ihrem Qualifikationsniveau entsprechen, sind es bei ersteren nur etwas mehr als die Hälfte (vgl. Jungwirth et al. 2012, 11). Viertens schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich geschlechterspezifische Unterschiede hier besonders drastisch bemerkbar machen, denn die genannten Befunde stellen sich für Frauen weitaus weniger günstig dar als für Männer. Dieser letztgenannte Umstand passt zwar tendenziell zu den übrigen Beobachtungen den deutschen Arbeitsmarkt betreffend, auf dem Spitzenpositionen im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich wenig mit Frauen besetzt sind. Doch ergibt sich eine Verschärfung dieses gewonnen Bildes im Hinblick auf Hochqualifizierte mit Migrationshintergrund daraus, dass viele von diesen aus Ländern kommen, in denen eine derartige geschlechterspezifische Benachteiligung bezüglich der Erwerbsmöglichkeiten weniger häufig vorkommt. Als Beispiel hierfür seien die hochqualifizierten Migrantinnen aus den postsozialistischen osteuropäischen Ländern genannt (vgl. dazu die verschiedenen Beobachtungen bei Jungwirth et al. 2012): Unter diesen liegt zum einen die Erwerbsquote deutlich höher als bei der entsprechenden deutschen Vergleichsgruppe; zum anderen ist hier eine deutlich höhere Neigung zu Berufsfeldern der Fall, die in Deutschland als besonders wenig frauentypisch angesehen werden, insbesondere etwa bei der Wahl von Fächern aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich (den sogenannten MINT-Fächern). Geradezu ironisch mutet es an, dass genau Absolventinnen und Absolventen dieser Fächergruppe auf dem deutschen Arbeitsmarkt besonders stark nachgefragt werden, von den potenziellen einschlägigen Kompetenzen unter Bildungsausländern und insbesondere Bildungsausländerinnen jedoch nach wie vor nicht entsprechend Notiz genommen wird.

    Das Pilotprojekt ProSALAMANDER

    An dieser Stelle setzt das Projekt ProSALAMANDER an, das „Programm zur Stärkung ausländischer Arbeitnehmer durch akademische Nachqualifizierung an den Universitäten Duisburg-Essen und Regensburg“: Seit Januar 2012 und mit vierjähriger Laufzeit wird dieses Projekt von der Stiftung Mercator gefördert, das in Kooperation der Universitäten Duisburg-Essen und Regensburg durchgeführt wird. Hier werden nicht nur Wege gesucht, wie ausländische Studienabschlüsse durch geeignete Maßnahmen der Nachqualifizierung auch in Deutschland anerkannt werden können, sondern auch, wie ausländische Akademikerinnen und Akademiker einen deutschen Abschluss erwerben können.

    Das bedeutet zunächst einmal die Einzelfallprüfung des jeweils durch ein Studium im Ausland bereits erworbenen fachlichen Qualifikationsniveaus. Hier gilt es also festzustellen, welche Studieninhalte gleich bzw. vergleichbar sind und wo gegebenenfalls noch Nachbesserungsbedarf im Sinne von nachzuholenden Studienleistungen besteht. Gerade für Absolventen naturwissenschaftlich-technischer Fächer wie Ingenieure sollten dabei auch die technologischen Fortschritte bedacht werden, die sich seit dem eigenen Studienabschluss eventuell ergeben haben, damit hier im Sinne der Einsatzfähigkeit in spezialisierten Berufsfeldern aufgestockt werden kann. Darüber hinaus gilt es aber auch in vielen Fällen, die Studierfähigkeit sowie die Arbeitsfähigkeit in akademischen Berufen zu sichern, indem etwaige sprachliche und methodische Defizite identifiziert und behoben werden. An die Seite der fachlichen Nachqualifikation treten deshalb im verfolgten Drei-Säulen-Ansatz speziell entwickelte Sprachkurse – insbesondere für das notwendige Fachvokabular – und methodische Schulungen, die auch kulturelle Differenzen berücksichtigen.

    ProSALAMANDER nimmt dabei bundesweit eine Vorreiterrolle ein und entwickelt zum einen Konzepte, wie Anerkennungs- bzw. Nachqualifizierungspfade ausländischer akademischer Absolventen aussehen können, zum anderen Lehrmaterialien, die zielgruppengenaue Förderung ermöglichen. Wichtig ist hierbei ein deutlich ausgeprägter praktischer Bezug: Innerhalb des Pilotprojekts werden zwei Jahrgänge von Studierenden nachqualifiziert, die am Ende ihrer – in der Regel dreisemestrigen – Programmteilnahme einen deutschen Abschluss erhalten sollen. Das Programm fokussiert sich auf bestimmte Studienrichtungen, um jeweils unterschiedliche Profile zu zeigen und untersuchen: In Duisburg-Essen werden Wirtschaftsinformatiker und Ingenieurwissenschaftler aufgenommen, in Regensburg Wirtschaftswissenschaftler, Informations- und Medienwissenschaftler, Medieninformatiker sowie Sprach- und Kulturwissenschaftler. Die Teilnehmer des Pilotprojekts – jeweils bis zu 16 pro Universität und Studierendenjahrgang – werden mit einem Stipendium gefördert, denn gerade bei Personen der anzusprechenden Zielgruppe befinden sich viele, die in anderen (unterqualifizierten) Beschäftigungsverhältnissen stehen und für ihren eigenen Lebensunterhalt wie ggf. auch den ihrer Familie aufkommen müssen. Damit soll auch ein weiteres Ziel des Projekts im Sinne des politischen Agenda-Settings verfolgt werden, denn es gilt Wege zu entwickeln, die sich für eine kriteriengeleitete Förderung der betreffenden Zielgruppe – in Analogie zu bereits vorhandenen Förderprogrammen wie BAföG oder Begabtenstipendien – als gangbar erweisen.

    Durch die Drittmittelförderung seitens der Stiftung Mercator konnten eigens zugeschnittene Angebote an den beteiligten Universitäten eingerichtet werden: Die Ausbildung von sprachlich-kulturellen Kompetenzen erfolgt im Bereich Deutsch als Zweit- und Fremdsprache; in den beteiligten Fakultäten werden die Studierenden fachlich beraten und betreut; eine übergreifende Clearing-Stelle erhält die Aufgabe, ein passgenaues Studien- und Nachqualifizierungskonzept für die einzelnen Programmteilnehmer zu erstellen. Die Nachhaltigkeit der entwickelten Anerkennungspfade durch deren Dokumentation und Publikation schließlich wird durch eine zentral angesiedelte Leitung und Koordination – an der Universität Duisburg-Essen die Prorektorin für Diversity Management, Prof. Dr. Ute Klammer, sowie das Zentrum für Hochschul- und Qualitätsentwicklung (ZfH) – verbürgt (Interessierte finden weitere Informationen auf der Homepage www.prosalamander.de).

    Literatur:
    Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2007): 7. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. Berlin.
    Brussig et al. (2009): Verschenkte Potenziale. IAQ-Report 2009-08. Essen: Institut für Arbeit und Qualifikation.
    Institut der deutschen Wirtschaft (2010): Machbarkeitsstudie zum Informationsportal zu ausländischen Abschlüssen. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Köln: Institut der deutschen Wirtschaft.
    Ingrid Jungwirth et al. (2012): Arbeitsmarktintegration hochqualifizierter Migrantinnen. Berufsverläufe in Naturwissenschaft und Technik. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung.