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(Initiative zur Förderung von Sprache und Bildung e.V.)
ISSN 2194-2668


Die Gaste, Ausgabe 28 / August-Oktober 2013

Eine moderne Politik der Teilhabe
[Çaðdaþ Katýlým]


Peer STEÝNBRÜCK
(SPD)

Peer STEÝNBRÜCK




Deutschland ist ein reiches Land - reich an Vielfalt und Kulturen. Und dennoch stellt sich die Frage, wie wir in einer so vielfältigen Gesellschaft ein gleichberechtigtes Miteinander organisieren können. Wir wollen eine gerechte und starke Gesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Chancen und Teilhabemöglichkeiten haben – egal welche Herkunft oder welche Religion jemand hat und egal welchen Namen jemand trägt, mag er auch noch so ungewöhnlich klingen. Vielfalt ist eine Chance, sie ist eine Zukunftsressource. Sie zeichnet eine moderne Einwanderungsgesellschaft im 21. Jahrhundert aus.

Viel zu oft wird die „Zuwanderungsgeschichte“ eines Menschen nach wie vor als Diagnose, ja sogar als Defizit betrachtet. Eine kluge Gesellschaftspolitik muss sich von Kategorien wie „Bildungsinländer“, „Migrationshintergrund“ und „Migranten“ allerdings abwenden. Auch der Begriff „Integration“ ist längst überholt. Viele sind hier geboren und aufgewachsen, sie leben mittlerweile in der vierten Generation in Deutschland. Sie sind deutsch – mit ihrer Herkunft, ihrem Glauben und ihrem Namen. Dies anzuerkennen und die ethnisch-religiöse Vielfalt in Deutschland wert zu schätzten, darum muss es der Politik heute gehen. Damit sich Menschen mit Zuwanderungsgeschichte als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft verstehen. Genau dieses grundlegende Verständnis fehlt der noch amtierenden Bundesregierung.

Rot-Grün hat die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes trotz vieler Widerstände seinerzeit in Angriff genommen. Diese Politik wird eine von mir geführte Bundesregierung nach dem 22. September fortführen und die doppelte Staatsangehörigkeit ermöglichen. Wir werden die Optionspflicht abschaffen, denn sie zwingt viele junge Erwachsene völlig unnötig dazu, ihre Wurzeln abzuschneiden. Sie fühlen sich dem Herkunftsland ihrer Eltern ebenso verbunden wie Deutschland. Die Unionsparteien haben diese Lebenswirklichkeit noch immer nicht verstanden. Obwohl sie genau wissen, dass Mehrstaatigkeit längst zur Regel geworden ist. Bei jeder zweiten Einbürgerung wird der alte Pass beibehalten. Während aber Bürgerinnen und Bürger aus EU-Staaten oder etwa aus Marokko und Kuba ihren alten Pass behalten dürfen, bleibt diese Möglichkeit der größten Gruppe der Betroffenen verwehrt: junge Erwachsene mit türkischer Herkunft. Damit nimmt die jetzige Bundesregierung in Kauf, dass der Staat hier geborene und aufgewachsene junge Menschen zu Ausländern erklärt. Die SPD sagt ganz klar: Diese Ungleichbehandlung muss aufhören.

Neben dem Staatsangehörigkeitsrecht müssen wir vor allem die strukturellen Benachteiligungen abbauen, die vielen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte den Zugang zu Teilhabe an Bildung und Arbeit erschweren. Herkunft darf kein Schicksal sein. Weder was die Bildung, noch was die Herkunft der Eltern oder Großeltern angeht. Für die SPD gilt das ursozialdemokratische Aufstiegsversprechen durch Bildung. Und Bildung beginnt mit der frühkindlichen Bildung. Statt Milliarden Euro für das Betreuungsgeld zu verschwenden müssen wir stärker in den Ausbau und die Qualität von Krippen und Kitas investieren. Wir brauchen mehr und besser bezahlte Erzieherinnen und Erzieher, die sich auch um die Vorbereitung auf die Schule, insbesondere um die Sprachförderung kümmern können. Viele Eltern können dies allein gar nicht leisten. Diese Eltern lässt die Regierung mit dem Betreuungsgeld im Stich. Denn Anspruch auf das Betreuungsgeld haben nur Familien, die ihren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz verfallen lassen.

Zudem brauchen wir für die Zeit nach dem Schulabschluss effektivere Übergänge in das Ausbildungssystem. Viele Jugendliche schreiben hunderte Bewerbungen und erhalten entweder gar keine Antwort oder ausschließlich Absagen. Die Antwort der SPD: eine Ausbildungsgarantie einerseits und anonymisierte Bewerbungsverfahren andererseits, um Benachteiligungen wirksam zu begegnen. Mehr Aufklärungsarbeit, Antidiskriminierungsmaßnahmen und interkulturelle Schulungen spielen dabei ebenfalls eine große Rolle.

Eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe bleibt der Kampf gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus. Dafür brauchen wir ein starkes Bündnis von Zivilgesellschaft und Politik. Yasemin Karakaþoðlu und Thomas Oppermann aus meinem Kompetenzteam haben dazu jüngst einen Masterplan gegen Rassismus und Rechtsextremismus vorgelegt. Er gehört zu jenen zentralen Maßnahmen, die die SPD nach der Bundestagswahl umsetzen will. In einer Zeit, in der Flüchtlinge erneut zur Zielscheibe rechter Hetze werden, brauchen wir ein klares Zeichen und gezielte Maßnahmen. Rostock-Lichtenhagen, Solingen und zuletzt die grauenhaften NSU-Morde sind ein Schandfleck unserer jüngeren Geschichte und dürfen sich nicht wiederholen. Viele Menschen haben dadurch ihr Vertrauen in unseren Staat verloren. Wir müssen alles tun, um dieses Vertrauen zurück zu gewinnen.

Die SPD steht für eine offene und tolerante Gesellschaft, in der Rassismus keinen Platz hat. Wir wollen die Zukunft unseres Landes gestalten, damit sich Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit nicht wiederholen. Wir setzen auf unsere 150-jährigen sozialdemokratischen Werte und auf Chancengleichheit, die für alle in unserer Gesellschaft gelten muss. Das ist eine moderne Politik der Teilhabe.