Die Gaste, Ausgabe 8 / Juli-August 2009

Jugendliche im Übergang
Allgemeine Anforderungen an ein besonderes Problem
(Geçiþ Döneminde Gençler
Özel Bir Soruna Ýliþkin Genel Talepler
)


Hans Peter FRÜHAUF
Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e.V.



Zugleich stehen dem - in den eher bildungsorientierten Milieus – ausgeprägten Bildungsoptimismus häufig noch strukturelle Hürden zur erfolgreichen Integration in das Ausbildungssystem entgegen; begleitet von Informationsdefiziten und eingeschränktem Berufswahlspektrum. Strategien zur Erreichung und Unterstützung junger Menschen aus prekären Lebenslagen konzentrieren sich dabei u.a. auf die Stärkung des sozialen Umfelds, der Gewährleistung kontinuierlicher und verlässlicher Begleitung sowie auf die Einbindung von zivilgesellschaftlichen Organisationen (Migrantenorganisationen, weitere NGOs) in den Übergangsprozess.

Die Ausbildungssituation von Migrantinnen und Migranten ist weiterhin angespannt. Gleichzeitig gewinnen Jugendliche mit Migrationshintergrund, aufgrund fallender Geburtraten und steigender Lebenserwartung, eine immer stärker werdende Bedeutung für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Die gezielte Förderung und Qualifizierung junger Menschen mit Migrationshintergrund ist vor diesem Hintergrund wichtige denn je. Die Konzentration einer erfolgreichen ausbildungs- und arbeitsmarktbezogenen Intervention auf ethnische Kategorien (z.B. Ansätze für türkische, italienische Jugendliche) ist jedoch nicht zielführend. Denn: die heutige Gesellschaft zeichnet sich durch Vielfalt und eine differenzierte Milieulandschaft aus: „Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichem Migrationshintergrund verbindet mehr miteinander als mit dem Rest ihrer Landsleute aus anderen Milieus. Man kann also nicht von der Herkunftskultur auf das Milieu schließen“ (Sinus Sociovision 2009, S. 4). Erfolgreiche Unterstützung und Begleitung Jugendlicher im Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf gründet auf einem integrierten Handlungskonzept, das der Vielfältigkeit jugendlicher Lebenswelten und Milieus gerecht wird. Sogenannte Integrationsdefizite finden sich „am ehesten in den unterschichtigen Milieus, nicht anders als in der einheimischen Bevölkerung: Mangelnde Integration ist also kein Problem der ethnischen Herkunft sondern von sozialer Benachteiligung“ (ebd. S. 5). Zugleich stehen dem - in den eher bildungsorientierten Milieus – ausgeprägten Bildungsoptimismus häufig noch strukturelle Hürden zur erfolgreichen Integration in das Ausbildungssystem entgegen; begleitet von Informationsdefiziten und eingeschränktem Berufswahlspektrum. Strategien zur Erreichung und Unterstützung junger Menschen aus prekären Lebenslagen konzentrieren sich dabei u.a. auf die Stärkung des sozialen Umfelds, der Gewährleistung kontinuierlicher und verlässlicher Begleitung sowie auf die Einbindung von zivilgesellschaftlichen Organisationen (Migrantenorganisationen, weitere NGOs) in den Übergangsprozess.

Berufliche Orientierung und Begleitung für Alle!

Die berufliche Orientierung junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund hat eine zentrale Bedeutung für eine erfolgreiche Gestaltung des Übergangs in Ausbildung und Beruf. Insbesondere für sozial benachteiligte Jugendliche sind die Bildungsverläufe in Schulen und Betrieben flankierend zu begleiten, um Abbrüche zu verhindern, Anschlussperspektiven vorzubereiten und den Beginn von Maßnahmekarrieren und Ausstiegen zu erkennen und zu verhindern. Eine erfolgreiche Begleitung Jugendlicher im Übergang von Schule in den Beruf gruppiert sich um folgende Elemente, die in der Praxis systematisch berücksichtigt werden müssen:

- den Jugendlichen werden auf Dauer verlässliche Ansprechpartner/innen zur Seite gestellt;

- Eltern werden über Informationsangebote und Projekttage in die Arbeit eingebunden;

- Betriebliche Kontakte werden frühzeitig organisiert und ausgewertet (Praktika, Betriebsbesuche, …);

- Jugendadäquate Projekte und Initiativen werden umgesetzt (Bewerbungstraining, Planspiele, Projekttage, Selbstpräsentationen, …)

Das Angebot folgt einem nicht-stigmatisierendem Ansatz, d.h. vorschnelle Zuschreibungen aufgrund ethnischer Herkunft werden kontrolliert. Ergeben sich migrationsbezogene Herausforderungen (Sprachförderung, Informationsdefizite) wird diesen über entsprechende Angebote begegnet. Erforderlich ist dabei ein funktionierendes Kooperationsnetzwerk zu weiteren Akteuren (etwa zu Jugendmigrationsdiensten und Beratungsstellen.

Migrantenorganisationen als Akteur fördern und beteiligen!

Neben dem Ausbau und Sicherstellung einer präventiv-orientierten Unterstützungsstruktur für junge Menschen im Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf sind Migrantenorganisationen als Akteure und Partner in lokalen und regionalen arbeits- und ausbildungsbezogenen Netzwerke zu integrieren. Migrantenorganisationen sind wichtiger Bestandteil der Integrationsarbeit. Über ihre Stärkung im kommunalen und regionalen Raum gelingt es, vorhandene Ressourcen für Jugendliche und deren Eltern optimal zu nutzen. Nur wenn es gelingt, dass die Multiplikator/innenarbeit durch Qualifizierungsangebote abgestützt wird, kann langfristig das Engagement der Vereine und Initiativen gesichert werden. Dabei sind bereits erprobte Qualifizierungsangebote für Multiplikator/innen vorzuhalten (vgl. www.agarp.de. Diese Angebote können perspektivisch auch als zertifizierte Qualifizierungsmaßnahmen in die bestehende Arbeitsmarktpolitik eingebaut werden. Zudem ist zu prüfen, welche Migrantenorganisationen auch als Träger ausbildungs- und arbeitsmarktbezogener Projekte in Frage kommen. Hierzu gibt es bereits in Rheinland-Pfalz Beispiele, die aufgegriffen werden sollten. Auch ist die Rolle der kommunalen Integrationsbeiräte zu stärken, indem geprüft werden sollte, welchen Unterstützungs- und Qualifizierungsbedarf die Beiräte für sich sehen und wer diesem Bedarf entsprechen kann.

Mehr als bloße Appelle an Eltern!

Immer wieder wird die Rolle der Eltern im Übergangsprozess betont. Der bloße Appell genügt jedoch nicht! Eltern sind heute im Hinblick auf ausbildungsbezogene Fragen und Herausforderungen oftmals überfordert. Deshalb sollten Angebote, die sich direkt an Jugendliche richten, auch Ansätze für die Einbindung der Eltern bereitstellen. Es hat sich gezeigt, dass gerade dem Informationsmangel von Eltern über offene und bedarfsbezogene Angebote entsprochen werden kann (Bsp. Eltern als Berufswahlbegleiter: http://www.arbeit-und-leben.de/download/ eltern_als_berufswahlbegleiter.pdf). Weitere Vorbilder sind im Bereich der sozialraumorientierten Jugendarbeit zu finden, die in besonderer Weise Jugendarbeit mit Elternansprache verknüpfen.

Mehrsprachigkeit fördern!

Insgesamt soll der (potenziellen) Mehrsprachigkeit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund fördernd begegnet werden. Dies betrifft zum einen die systematische Erfassung der Sprachkompetenzen der Jugendlichen, etwa über migrationssensible Profilingverfahren. Zum anderen stellt die Mehrsprachigkeit gerade für Betriebe einen interessanten Aspekt dar. Über die Beschäftigung von Menschen mit Migrationshintergrund liegen gerade für klein- und mittelständische Unternehmen die Chance neue Märkte zu erschließen. Aber auch für die Jugendlichen selbst ist die Anerkennung und Förderung ihrer sprachlichen Kompetenzen wichtig für den Aufbau ihrer sozialen und personalen Identität.

Stärkung von Gleichaltrigengruppen!

Jenseits pädagogischer Interventionen sind Gelegenheitsstrukturen für Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund zu schaffen, in deren Rahmen sich über Ausbildung, Beruf und Lebensperspektiven ausgetauscht werden kann. Dies geschieht über offene und niedrigschwellige Angebote im sozialen Nahraum. Junge Menschen, die bereits erfolgreich eine Berufsausbildung bzw. in Ausbildung sind, geben ihre Erkenntnisse an andere weiter. Ganz besonders wichtig für die Berufsorientierung junger Menschen sind Eltern, Verwandte und Freunde der Jugendlichen. Sie sind diejenigen, die die Jugendlichen in ihren Lebensplanungen unterstützen. Die Unterstützung des sozialen Umfelds ist aber nur möglich, wenn ein Zutrauen in das System der beruflichen Qualifizierung vorhanden ist. Dieses Zutrauen kann es nur geben, wenn die Menschen das System kennen und verstehen. Und wer könnte das besser vermitteln als jemand, der sich in Ausbildung befindet bzw. diese abgeschlossen hat. Über den vom Kölner BQN entwickelten BQN-Treff (www.bqn2.de) wird den Jugendlichen ein Forum geboten ihre Anliegen in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Ziel ist es, dass Auszubildende, Schülerinnen und Schüler eine Peergroup bilden und sich innerhalb dieser gegenseitig unterstützen und Netzwerke bilden. Über das Öffentlichkeitsforum des Treffs und die Teilnahme an Messen und Aktionen sollen die Meinungen, Anliegen und Erfahrungen der Jugendlichen rund um das Thema Schule -

Ausbildung - Beruf an die Öffentlichkeit getragen werden. Sie treten auf als Experten in eigener Sache.

Fazit

Begleitung und Orientierung Jugendlicher, Unterstützungsangebote für Eltern, die Stärkung der Migrantenorganisationen, die Förderung der Mehrsprachigkeit und die Bereitstellung niedrigschwelliger Angebote für Jugendliche im sozialen Nahraum sind zentrale Aspekte eine guten Förderung Jugendlicher. Über die praktische Ausgestaltung der Ansätze müssen sich die kommunalen Akteure verständigen. Dies ganz im Sinne des leitenden sozialpolitischen Gesetzes: junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen (SGB VIII, § 1, Abs. 1).